Es liegt auf der Hand: Die Barock-Welle und die vielen wunderbaren "historisch praktizierten" Aufführungen haben unsere Hörgewohnheiten völlig verändert. Das ist jedoch kein Grund, Aufzeichnungen zu verdammen, die früher prägend waren. Als Bruno Walter am Ende seines Lebens die sechs letzten Sinfonien von Mozart aufnahm – mit einem in Kalifornien eigens für Columbia Records gegründeten Orchester, dessen Musiker zum großen Teil aus Los Angeles stammten – profitierte er von den neuesten Fortschritten in der Stereophonie und er hatte genügend Zeit, um die Werke in Ruhe einzustudieren. Damals wurde Mozart mit großem Orchester und in einem Legato-Stil gespielt, der uns heute fremd ist.
Und doch sind diese Aufnahmen als Abbild des Stils in der Zeit nach der Tragödie des Zweiten Weltkriegs, in der man in einer fast religiösen und humanistisch gefärbten Haltung an die Musik heranging, zeitlos. Durch die Musik wurde die Welt wieder aufgebaut. Bruno Walters metaphysische Vision ist die eines großen Europäers, der Kultur und Zivilisation liebt: sein Mozart strahlt Nächstenliebe und Versöhnung aus. © François Hudry/Qobuz