Lassen wir die vergangenen Jahrzehnte kurz beiseite: "Cone Of Shame" beginnt mit einem verhaltenen Gitarrenlick, um sich, bildlich gesprochen, zu einer Welle aufzutürmen, die einen auf den Strand krachen lässt. Wumms. Was soll man sich nach diesem Hammer noch für schlau gemeinte Sätze überlegen?
Die Vorabsingle "Superhero" oder das drückende "Separation Anxiety" besitzen ebenfalls alles, was einen Faith No More-Track ausmacht: Tempo, Melodie, Aggression, ihren Trademark-Sound eben, der raue Metal-Riffs ohne Reibungsverluste mit Klavier und Keyboards vereint, dazu die untypischen Arrangements. Noch smarter haut "Sunny Side Up" ins Ohr - spätestens hier hat einen Sänger Mike Patton auch an der Gurgel.
Denn es braucht einen Moment, um zu realisieren: Tatsächlich, sie haben wieder eine Platte aufgenommen. Allein die erste und gefühlt härtere "Sol Invictus"-Hälfte ist das Studiocomeback der 90er-Alternative/Crossover-Helden wert.
Gleichwohl war die erste reguläre Scheibe seit 1997 keine leichte Geburt: Nach weltweitem Ruhm folgte 1998 die Auflösung, die Emotionen waren zu groß geworden. Schon 1993 hatte Gitarrist Jim Martin die Band verlassen. 2009 dann die überraschende und gefeierte Livereunion mit dem Line-Up von 1998 sowie der Ansage Pattons, es werde keine neue Platte geben.
Dann legte Basser Bill Gould den Kollegen eines Tages die ausladende Alternative-Rock-Oper "Matador" vor - und der Startschuss war gefallen, wie es heißt. Gut drei Jahre dauerte es, bis "Sol Invictus" im Kasten war - und kaum einer bekam es mit. FNM wollten Druck von außen um jeden Preis vermeiden, sich keinem Zeitplan unterwerfen: Die Platte sollte am Ende einfach nur taugen.
Soundtechnisch könnte man in der ziemlich direkt produzierten Aufnahme eine Linie zu "King For A Day, Fool For A Lifetime" (1995) ziehen. Auch Italo-Western-Anflüge (das knackige "Black Friday", "Rise Of The Fall" und "From The Dead") waren dort angelegt. Gleichwohl nimmt Roddy Bottums Tastenspiel auf "Sol Invictus" im direkten Vergleich viel größeren Raum ein. Eine Tatsache, die wiederum auf "Angel Dust" (1992) verweist.
"Album Of The Year" (1997) drängt sich gleichfalls auf. Nicht nur, weil Gitarrist Jon Hudson das damalige Abschiedsalbum einspielte. Ihren genau dosierten Mix aus melodiöser und tougher Monumentalität brachten FNM damals zur Vollendung: Diese zeitlos coole Art, wie sie Fahrt aufnehmen und sich in ein furioses Finale hineinsteigern können - "Cone Of Shame" oder "Matador" zeigen es erneut.
Letztlich bleiben selbstredend alle Platten irgendwie gegenwärtig - Gould bezieht sich gar aufs gleichnamige Debüt von 1985. An dieser Stelle sollte man unbedingt auf Drummer Mike Bordin verweisen: Seine heavy Grooves, eine gesunde Mischung aus wuchtig und akzentuiert, prägen das Sounddesign FNMs mehr als mancher saiten- und stimmverliebte Hörer wahrhaben mag. Zumal von Anbeginn: Er gründete mit Gould die Band.
War das Album-Comeback nun nötig? Die fünf Herren sind schließlich nicht mehr Mitte 20, sondern um die 50. Im Herbst ihrer Karrire bleiben sie dennoch unpeinlich hart und über Albumlänge durchaus unberechenbar. "Sol Invictus" präsentiert sich so wie jede andere ihrer Platten seit "The Real Thing" (1989) bzw. Pattons Einstieg: Ein FNM-Studioalbum enthält fordernde Rockmusik, zu der sich trotzdem easy das Gehirn ausschalten lässt. Und genau so wollen wir das haben.
© Laut