Diese Geschichte hat in Berlin angefangen - wir versprechen Ihnen aber, dass sie nicht in einem Klub zu Ende geht. Eher in einem Symphoniker-Konzertsaal, wo alle Nuancen dieser meisterhaft bewältigten Platte entsprechend zur Geltung kommen. Die Geschichte erzählt von zwei Toms. Der erste, Dvorak alias Floex, ist ein Produzent aus Prag. Der zweite, Hodge, ist ein britischer Pianist und Klarinettist, der sich auch an die Regler stellt. Nachdem sie sich in der deutschen Hauptstadt zufällig über den Weg gelaufen sind, fängt Hodge an, Remixe von Floex zu machen und nach einer gewissen Zeit steht dann dieses ehrgeizige Projekt im Mittelpunkt, bei dem sie ihre Maschinen und die Instrumente des Prager Symphonieorchesters mischen.
Trotz der grundlegend unterschiedlichen Stellenwerte ergab sich in den letzten Jahren schon mehrere Male die Gelegenheit, klassische und elektronische Musik zu überschneiden, woran Techno-Künstler aus Detroit oder anderswo teilnahmen: Derrick May und Francesco Tristano lieferten eine neue Interpretation des Meisterstücks Strings of Life, Derrick May arbeitete auch mit dem Macedonian Philharmonic Orchestra zusammen, Jeff Mills mit Orchestern aus Montpellier, Lille, Lyon und in jüngster Zeit Toulouse, Carl Craig mit dem Symphonieorchester Les Siècles, auf dem beim Label InFiné im Jahre 2017 erschienenen Album Versus …
Zwar ist Letzteres wohl das gelungenste (lassen wir den einzigartigen Nils Frahm mal beiseite), aber Floex und Tom Hodge gehen in der Symbiose zwischen Organischem und Synthetischem noch ein Stück weiter und erreichen mit extrem ausgearbeiteten Strukturen eine einzigartige Detailtreue. Dieses Portrait of John Doe hört sich gezwungenermaßen wie ein Soundtrack an (Tom Hodge hat jenen für McMafia, die Serie der BBC, geschrieben und komponiert oft für Fernsehwerbespots und Filmtrailer): Der träumerische Song Inauguration of Nobody erinnert an Cliff Martinez‘ Arbeit für den Soundtrack von Solaris. Was jedoch bei dieser Platte am meisten auffällt, ist die Schwerelosigkeit, mit der Klavier und am Synthesizer gespielter Bass, Schlagzeug und Drumcomputer miteinander dialogieren und ineinander übergehen, wie etwa in Wednesday (Is the New Friday), womit klar wird, welch hervorragende Arbeit in Sachen Arrangement geleistet wurde. Die Nachfolger werden es nicht leicht haben… © Smaël Bouaici / Qobuz