Ein 14-jähriges Mädchen verdächtigt ihren 32 Jahre alten Stiefbruder, an den Sexualverbrechen schuld zu sein, die in der Stadt für Aufruhr sorgen... aber gleichzeitig ist sie unsterblich in ihn verliebt. Das ist der Ausgangspunkt des äußerst brisanten Die Schritte eines Mörders, dieses aus dem Jahr 1970 stammenden englischen Thrillers mit der Schauspielern Jenny Agutter, deren Image als ehemaliger Kinderstar das unterschwellige Unbehagen, das dieser Spielfilm auslöst, nur noch verstärkt. Nach einer kurzen Polemik geriet der nicht besonders erfolgreiche Film bald in Vergessenheit. Er gehört zu jenen kleinen Produktionen, die eine zweite Chance aber dank eines beliebten Soundtracks bekommen, der letzten Endes interessanter ist als der Film selbst. Diese herrliche, von Basil Kirchin (mit Unterstützung von Jack Nathan und John Coleman) komponierte Filmmusik, wurde nun von Trunk Records neu herausgebracht, einem Label, das jedes Mal, wenn es darum geht, alte Prunkstücke auszugraben, ganz hervorragende Arbeit leistet. Die schwerelose und idyllische Melodie zwischen Pop und Folk bildet das Hauptthema, das den ganzen Soundtrack hindurch pocht und den Bildern etwas beunruhigend Seltsames verpasst, um den zugleich unschuldigen und zwanghaften Charakter der jungen Heldin zum Ausdruck zu bringen. Neben dieser Kantilene, die sich teilweise wie ein unheilvolles Wiegenlied anhört, muss vor allem die Arbeit an der Orchestrierung hervorgehoben werden. Kirchin hat sein Know-how und seine Raffiniertheit für diese Komposition meisterhaft zum Einsatz gebracht, indem er auf erstaunliche Weise beängstigende Perkussionsinstrumente und kratzende Saiten ineinander verwob, zu denen dieses sanfte Leitmotiv regelmäßig einen Ausgleich schafft, da es von aufmunternden Vibraphonen und bezaubernden Flöten gespielt und von Lindsey Moores bezaubernder Stimme interpretiert wird. Dieser Soundtrack enthält außerdem die Musik eines ebenso düsteren Dokumentarfilms vom Anfang der 1980er Jahre, Third World, für die Kirchin eine total andere Klangfarbe wählt: hier spielt er mit rein elektronischem Sound und oft dem Jazz entlehnten Rhythmen. Dieses Album bietet also ein (allzu) kurzes, aber letzten Endes doch ziemlich vollständiges Panorama der Werke dieses Pioniers, den die BBC vor kurzem als „vergessenes Genie der englischen Musikwelt“ bezeichnete und dem so manche die Erfindung des Ambient zuschreiben, lange bevor Brian Eno kam. © Nicolas Magenham/Qobuz