Auf Album Nummer zehn halten sich Trail Of Dead nicht mit Experimenten auf. Fans ist es egal. Die freuen sich nach einer Durststrecke von sechs Jahren über jedes neue Material ihrer Lieblingsband. Und so klingt "X: The Godless Void And Other Stories" wie ein Album, das das Duo um Conrad Keely und Jason Reece auch vor zehn Jahren hätte aufnehmen können.
Das epische "The Opening Crescendo" eröffnet die Platte und erinnert an Metallicas Ennio-Morricone-Moment auf "S&M". Zwar stinkt Trail Of Deads Opener ab gegen das mächtige "The Ecstasy Of Gold", doch der Sound hat eine annähernd ähnliche Wucht – und das ohne 60-köpfiges Sinfonieorchester im Rücken.
Wie man einen ordentlichen Bums erzeugt, wissen Trail Of Dead. "X" steckt voller Pop-Songs, die sich – angereichert mit Prog- und Alternative-Elementen – zu Mini-Epen erheben. Das stemmen Keely und Reece nicht alleine. Live wächst die Band vom Duo zum Quartett. Im Studio arbeitete die Gruppe als achtköpfiges Kollektiv. Die Men-Power unterstreicht den Aufwand, mit dem Trail Of Dead ihre vollgepackten Stücke formen.
Die aus Austin stammende Band nimmt sich wie in "Blade Of Wind" Zeit für ausgedehnte Intros und Outros. Innerhalb der Songs stehen rein instrumentale Parts und Solos in einem ausgewogenen Verhältnis zum Gesang. Die durchdachten Arrangements brechen immer wieder für hymnische Refrains auf. So bewirbt sich der Kehrvers von "Gravity" für den gemeinsamen Vortrag mit der Konzertmeute.
Streicher, Bläser, Piano, Gitarren und elektronische Sounds – Klangschichten vermengen sich, bis die einzelnen Elemente nur noch schemenhaft zu erkennen sind. Das Album überfordert zu keinem Zeitpunkt. Trail Of Dead sträuben sich nicht vor Zugänglichkeit, gehen damit aber bewusst um. Es wirkt fast, als streuen sie Ohrwürmer nur beiläufig ein.
Mit einer radiotauglichen Kombination aus Groove, Gesang und Gitarre gehört "Don't Look Down" zu den poppigsten Stücken auf der Platte. In Minute drei reicht es Trail Of Dead allerdings. Der eingängige Refrain weicht einem anschwellenden Fiebertraum aus übereinander gestapelten Gitarrenspuren. Die Anspannung entlädt sich in einem Kampfschrei von Keely, der anschließend noch ein letztes Mal zum Kehrvers ansetzt.
"X" badet im Schmerz. Das strahlt die Musik, aber auch der Text aus. "I have a picture of us / I wanted you to smile / Now I don't know why", singt Keely über eine qualvolle Trennung. Was in "Don't Look Down" eindeutig klingt, wird in "All Who Wander" verkopfter. Darin rezitiert eine Frau Hermann Hesses Gedicht "Bei Nacht": "Bist du noch mein? / Ist dir mein Leid ein Leid."
Niemand schwingt die Brechstange geschmeidiger. Auch auf "X" entpuppen sich Trail Of Dead als Schafe im Wolfspelz. Unter der dicken Schicht aus Dunkel- und Hemmungslosigkeit schlummern waschechte Popstücke. Damit bleibt auch im 26. Bandjahr alles beim Alten.
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