Der größte Luxus der berühmtesten Stars besteht darin, eine Platte wie zufällig so im Vorbeigehen herauszubringen. Das immerhin seit ihrer ersten Kooperation im Jahre 2002 sehnlichst herbeigewünschte, gemeinsame Album von Jay-Z und Beyoncé entsteht ganz überraschend am 16. Juni 2018, zum selben Zeitpunkt wie NASIR von Nas und Kanye West. Seltsamer Zufall. Genauso wie Jay-Z‘ 4:44 und Beyoncés Lemonade ist Everything in love ein eher introspektives Album eines außergewöhnlichen Paares, das seinen Ruf unter die Lupe nimmt. Die neun Titel verherrlichen einerseits den Erfolg des Schwarzseins und üben zugleich auch scharfe Kritik an der heutigen Gesellschaft. Dieses Album bedeutet auch eine Versöhnung, ein Bindeglied zwischen zwei Liebenden, die man kurz vor der Trennung wähnte, und die im Dunklen genauso wie mitten im Scheinwerferlicht alles daran gesetzt haben, um ihren Groll und ihre Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und daraus künstlerische Energie zu gewinnen.
Von der Form her entspricht Everything is Love den derzeitigen Standardvorstellungen, lässt aber zwischen Luxus und afroamerikanischer Ehre ein anderes Echo erklingen. Das Paar nähert sich ein weiteres Mal dem grandiosen, hochkarätigen, aber gewissenhaften Universum von Pharrell Williams, der Nice und Apeshit produziert hatte. Beyoncés Pop-Sortiment verschmilzt mit Jay-Z‘ Klängen, die eher den Genres Soul und Jazz entsprechen, und das ist insbesondere Cool & Dre zu verdanken, der sich pudelwohl fühlte, um diesen Drahtseilakt zu orchestrieren. Beyoncé, die hier viel präsenter als ihr Ehemann ist, vollführt einen wahren Kraftakt, wenn sie auf mehreren Titeln mit ihrem Image spielt, allerlei Grenzen überschreitet und dabei ihrer Bissigkeit freien Lauf lässt. Jay-Z pflegt, manchmal nachlässig, sein Prestige, aber immer mit Geistesblitzen, insbesondere in Friends oder Lovehappy, wenn er von Familie und Dynastie erzählt. Dank Everything is love schaffen es die Carters, mit einem persönlichen und kontrastreichen Projekt unantastbar und konstant zu bleiben. Die königliche Familie ist wohlauf. © Aurélien Chapuis/Qobuz