Die US-amerikanische Opernszene ist ein wahrhaft kreativer Schmelztiegel. Nicht nur, dass das Land auf hunderte von Ensembles stolz sein kann, von den größten bis zu den kleinsten, das Prinzip der Schöpfung neuer Werke – und ihrer Wiederaufnahme!, denn Schaffen ist gut, aber was nützt es, wenn ein Werk nie wieder aufgeführt wird…- ist dort ein Muss und wird von zahlreichen privaten Gruppen gebührend unterstützt. Denn man darf nicht vergessen, dass die große Mehrheit der amerikanischen Orchester und Opernhäuser Privatstiftungen sind und keine öffentliche Unterstützung erhalten. Auf diese Weise wurde die Oper The Scarlet Letter von Lori Laitman, nach dem unheimlichen Roman von Nathaniel Hawthorne, Der scharlachrote Buchstabe, von der Opera Colorado aufgeführt und aufgenommen: eine gute Nachricht nicht nur für die junge Komponistin Lori Laitman, - die sich in der nordamerikanischen Szene mit zahlreichen Liedern, auf Englisch Artsongs, einen Namen gemacht hat –, für die Opera Colorado, die sich dadurch auf internationaler Ebene Sichtbarkeit verschafft, und für die Hörer, die so ein neues Stück aktuelle Musik des Landes entdecken. Laitman hat, wie so viele Musiker heutzutage, alle „Errungenschaften“ (wenn man sie so nennen kann) der avantgardistischen Diktatur der 70er Jahre links liegen lassen, hat auch die Neuerungen des musikalischen Minimalismus – auf ganz andere Art vielseitig und einfallsreich – nicht angenommen, und zieht es vor, die musikalische Sprache, die Janácek, Britten, Bernstein, Menotti, Copland oder Barber hinterlassen haben, in einer immens einfallsreichen Instrumentation weiterzuverfolgen. Die Thematik ist bekannt, die Hawthorne vor dem Hintergrund des extrem puritanischen Amerikas Mitte des 17. Jahrhunderts mit seinen infamen Hexenjagden, seiner religiösen Heuchelei, der Willensschwäche der Verantwortlichen behandelt, lauter Betrachtungen, die leider heute noch Resonanz finden. Ein prachtvolles Werk, das wir gerne auch auf französischen Bühnen hören würden, viel lieber als die schöngesanglichen Kraftlosigkeiten, die uns die Opern mit großer Beharrlichkeit anbieten. Die Aufzeichnung hat live während der Aufführung stattgefunden. ©SM/Qobuz