Schuberts drei letzte Sonaten, ein wunderbares pianistisches Vermächtnis, strahlen eine unwiderstehliche Dringlichkeit aus. Der Pianist Francesco Piemontesi nimmt hier zu Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem Label PentaTone also eine Schubertiade in winterlichen Tönen auf. Der Schüler von Alfred Brendel bringt den Werken, die er interpretiert, bedingungslose Achtung entgegen. Seine Annäherung an die Sonaten, D. 958, 959 und 960, ist delikat und nicht ohne Temperament. Das
Allegro der Sonate D. 958 enthält eine Hommage an die 32 Variationen in c-Moll von Beethoven. Es ist nicht überraschend, aus diesem, von Schubert’schen Aufheiterungen durchzogen Sturm im folgenden Andante den Wanderer auftauchen zu sehen. Das berühmte Andantino der Sonate D. 959, das die Schubert’sche Dualität perfekt verkörpert, ist von einer köstlich bitteren Sanftheit und Francesco Piemontesi unterwirft sich weder der Schärfe der Artikulation noch den prägnanten Akzenten der Melodie. Was die letzte Sonate D. 960 (bei einem Konzert aufgenommen) betrifft, so gelingt es den in der Tiefe grollenden Trillern nicht, die Entschlossenheit des einleitenden Molto moderato zu untergraben: Die Aussage des ersten Themas, die Unschuld selbst, wird unterbrochen, dann aber wieder aufgenommen und sogar in der sonnigen Klangfarbe Ges-Dur fortgesetzt. Das zweite Thema, eine Erinnerung an das zweite Klavierstück D. 946, fließt wie Honig unter Piemontesis Händen.
Die Tonaufnahme verleiht dem Album eine intime, gedämpfte Atmosphäre. Der Pianist hebt die mentale Dimension des Reisens in drei prächtigen Etappen einer ruhelosen Wanderschaft hervor. Die endlose Winterreise eines Komponisten, der sich unaufhörlich von der Welt verabschiedet. © Elsa Siffert/Qobuz