Rein klanglich steht das Flügelhorn im Vordergrund, Drahtzieher aber ist der Mann am Kontrabass. Michel Benita zählt zu den großen Bassisten des französischen, ja europäischen Jazz. Sowohl mit Andy Sheppards Trio Libero wie auch als Leader befindet er sich bei ECM unter einem Dach mit Koryphäen wie Gary Peacock, Dave Holland, Barre Phillips, Miroslav Vitous oder Arild Andersen. Seit gut 15 Jahren bezieht er Elektronik in seine Musik ein, was 2006 das experimentelle Nu-Jazz-/Hip-Hop-Projekt „Drastic“ hervorbrachte (mit Nils Petter Molvær, Erik Truffaz, Dhafer Youssef). Inzwischen benutzt er die Technik zur Schaffung von Klangräumen, die hier die Lead-Stimme Flügelhorn umrahmen.
Dennoch ist dies kein Solo-Feature fürs Horn, sondern kollektives Ensemblespiel. Matthieu Michel, Mitglied des legendären Vienna Art Orchestra in dessen Spätphase, gibt sich als Einziger ganz „unelektronisch“, spielt lyrisch, mit rundem Ton und baut seine Themen mitunter auf kleinen, in der Tonhöhe versetzten Motiven auf („Dervish Diva“). Jozef Dumoulin entlockt dem elektromechanischen Fender-Rhodes per Effektgerät teils ungewohnte Sounds – knarzend, verzerrt oder schwebend wie eine E-Gitarre mit Delay.
Benita selbst verfügt am Bass über einen butterweich-sonoren Ton, der im solo dargebotenen „Never Never Land“ (aus dem 1954er-Musical „Peter Pan“) aufs Schönste zur Geltung kommt. Seine Liebe zu Melodien verraten schon seine Kompositionen; sie wird noch unterstrichen, wenn er Eigenes mit einem Wiegenlied der Bretonin Kristen Noguès oder einem Jobim-Klassiker zum Medley verknüpft („Berceuse/Gwell Talenn“, „Elisian/Inútil Paisagem“).
© Klostermann, Berthold / www.fonoforum.de