Heinz Holliger, der uns als einer der hervorragendsten Oboisten des 20. Jahrhunderts ein Begriff ist, hat nun neben seiner produktiven Tätigkeit als Komponist eine weitere Karriere gestartet, die des Dirigenten. Denn als Komponist setzt er nämlich seine Gesamtaufnahme von Schuberts Sinfonien fort, deren Kompositionsstil und formale Prinzipien er so gerne in den Vordergrund stellt.
Seiner Ansicht nach hat die 4. Sinfonie in c-Moll nichts mit Drama zu tun, auch wenn ihr der junge Musiker den Titel „Die Tragische“ verpasst hatte – wohl wegen der Tatsache, dass sie Beethovens 5. Sinfonie oder Coriolan-Ouvertüre, für die er sich so begeisterte, aufgrund ihrer Haupttonart recht nahe steht. Trotzdem bringt die ganze Partitur nichts anderes als Transparenz, Licht, jugendliche Sorglosigkeit und Leichtigkeit zum Ausdruck.
Die zwei Jahre später von dem kaum 20-jährigen Schubert komponierte 6. Sinfonie steht weniger oft als alle anderen auf dem Programm, ist aber die ehrgeizigste der in seinen jungen Jahren entstandenen Sinfonien. Die darin enthaltene Dynamik ist dieselbe, Form und Struktur hat Schubert jedoch besser im Griff und das Finale erinnert an die italienische Form wie in Rossinis Musik, der damals in Wien Begeisterung auslöste. Heinz Holliger hatte die ausgezeichnete Idee, dieser Sinfonie eine der beiden Ouvertüren im italienischen Stil aus derselben Zeit voranzustellen, weil sie genauso ansprechend klingt. © François Hudry/Qobuz